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Trump äfft Zeugin nach

Streit in Missbrauchsdebatte eskaliert

  • Veröffentlicht: 03.10.2018
  • 22:04 Uhr
  • dpa
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© AP/ dpa

Was für ein Sinneswandel. Erst sprach US-Präsident Trump von einer sehr glaubwürdigen Zeugin, Tage später äfft er sie nach und macht sich über sie lustig. Klingt komisch, macht aber im Trump-Kosmos durchaus Sinn.

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Die FBI-Ermittlungen nach Missbrauchsvorwürfen gegen den Kandidaten für das Oberste US-Gericht, Brett Kavanaugh, sollten für Ruhe und Klarheit sorgen, stattdessen eskaliert der Streit. Präsident Donald Trump verhöhnte am Dienstag (Ortszeit) während einer Wahlkampfveranstaltung in Southaven (Mississippi) eine Zeugin und äffte sie nach. Zuvor hatte er im Zusammenhang mit Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen drei Frauen von einer "beängstigenden Zeit für junge Männer in Amerika" gesprochen. Die Demokraten im US-Senat forderten, Trump müsse sich umgehend entschuldigen. Das FBI wollte nach US-Medienberichten noch am Mittwoch seine Befragungen und Untersuchungen abschließen.

Der US-Senat soll dann nach dem Willen des republikanischen Mehrheitsführers Mitch McConnell noch in dieser Woche Kavanaugh als neuen Richter für den Surpreme Court bestätigen. Auch Trump wünscht sich das. Dagegen forderte unter anderem die Demokratin Dianne Feinstein, dass die laufenden FBI-Ermittlungen zeitlich unbefristet sind, alle Zeugen angehört werden und allen Vorwürfen nachgegangen wird.

Vorwürfe von drei Frauen

Einen genauen Termin für die Abstimmung im Senat gibt es noch nicht. Ein Grund: Die drei Republikaner Lisa Murkowski (Alaska), Susan Collins (Maine) und Jeff Flake (Arizona) sind Wackelkandidaten. Weil die Mehrheit von Trumps Republikanern im Senat so knapp ist, hängt eine Zustimmung zu Kavanaughs Ernennung auch von diesen drei Stimmen ab - falls die oppositionellen Demokraten geschlossen mit Nein stimmen. Aber auch in deren Reihen gibt es mit Heidi Heitkamp (North Dakota) und Joe Manchin (West Virginia) mindestens zwei unschlüssige Senatoren. Die beiden müssen sich im November zur Wiederwahl stellen und fürchten den Zorn von Wählern.

Ein weiterer Streitpunkt dreht sich um den FBI-Bericht. Dieser soll nach den Worten von Senat-Mehrheitsführer McConnell nicht veröffentlich werden, sondern nur die Senatoren sollen eine Kopie erhalten. Nach US-Medienberichten herrscht jetzt die Sorge, dass die aufgeheizten Gemüter in der Öffentlichkeit nicht beruhigt werden und Republikaner wie Demokraten gezielt jene Passagen aus dem Bericht an Medien weiterleiten, die ihre jeweilige Position stärken.

Hintergrund der FBI-Ermittlungen sind Vorwürfe von bislang drei Frauen gegen Kavanaugh wegen sexueller Übergriffe sowie versuchter Vergewaltigung während der High-School- und Studienzeit in den 1980er Jahren. Kavanaugh bestreitet die Anschuldigungen.

Trump: Ankläger seien "wirklich schlechte Menschen"

In dem erbitterten Parteienstreit geht es im Kern darum, dass die Republikaner den Demokraten eine Verzögerungstaktik vorwerfen. Aus ihrer Sicht wollen die Demokraten das Votum bis zu den Zwischenwahlen am 6. November hinauszögern - in der Hoffnung, dann selbst eine Mehrheit im Senat zu haben und den erzkonservativen Kavanaugh endgültig zu Fall zu bringen. Die Demokraten wiederum befürchten eine Scheinuntersuchung durch das FBI, um noch zögernden Republikanern eine Zustimmung zu erleichtern.

Trump schlug sich während der Wahlkampfveranstaltung in Southaven offen auf die Seite seines Wunschkandidaten für das Oberste Gericht. Kavanaughs Ankläger seien "wirklich schlechte Menschen", die den Richter zerstören wollten, sagte er. "Das Leben eines Mannes liegt in Scherben."

Unter Gelächter seiner Anhänger ahmte Trump die Befragung des mutmaßlichen Opfers nach: "Wie sind Sie nach Hause gekommen? - Ich erinnere mich nicht", sagte Trump. "Wie sind Sie dorthin gekommen? - Ich erinnere mich nicht. - Wo ist der Ort? - Ich erinnere mich nicht. - Vor wie vielen Jahren ist es passiert? - Ich weiß es nicht." Zudem stellte der Präsident infrage, ob Christine Blasey Ford während des angeblichen Vergewaltigungsversuchs nüchtern gewesen sei. "Aber ich hatte ein Bier - das ist das einzige, woran ich mich erinnere", äffte Trump die Zeugin nach.

"Frauen geht es sehr gut"

Als Folge der Debatte um Missbrauchsvorwürfe sieht Trump vor allem Männer gefährdet. "Es ist eine beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika, wenn du für etwas schuldig bist, was du vielleicht nicht getan hast", sagte Trump nach Medienberichten am Dienstag im Weißen Haus. "Man kann angeklagt werden, bevor man seine Unschuld bewiesen hat." Auf die Frage nach einer Botschaft an junge Frauen, sagte der Präsident: "Frauen geht es sehr gut."

Nach den Worten des demokratischen Minderheitsführers im US-Senat, Chuck Schumer, schuldet Trump der Belastungszeugin "eine unverzügliche Entschuldigung". Schumer sagte weiter: "Der unverhohlene Spott des Präsidenten gegenüber einem Opfer eines sexuellen Übergriffs war verwerflich, war unter der Würde des Weißen Hauses und hat den zwischenmenschlichen Anstand verletzt."

Trumps Sprecherin Sarah Sanders verteidigte dagegen den Auftritt Trumps mit den Worten, der Präsident habe lediglich Fakten wiedergegeben. Sie glaube nicht, dass Trumps Äußerungen die Chancen Kavanaughs auf eine Bestätigung mindern. "Die Aussage von Dr. Ford war sehr überzeugend, aber man kann keine Entscheidung auf der Grundlage von Emotionen treffen. Sie muss auf Fakten basieren."

Kurz vor der geplanten Abstimmung wollen die Republikaner im Senat die Glaubwürdigkeit der Zeugin Blasey Ford zu erschüttern. Sie verwiesen auf eine eidesstattliche Erklärung eines Ex-Freundes, der Zweifel an Aussagen der Zeugin vor dem Justizausschuss sät.

Mehr als 800 Harvard-Absolventen unterschrieben Brief

Kavanaugh wird im Januar 2019 seinen Lehrauftrag an der Elite-Universität Harvard aufgeben, wo er derzeit Jura unterrichtet. Das berichtete CNN unter Berufung auf eine E-Mail an die Studierenden. Die Gründe für seinen Rückzug waren zunächst unklar.

Laut CNN hatten bis zum Montagabend mehr als 800 Absolventen der Harvard Law School (HLS) einen Brief unterzeichnet, in dem sie die Universität aufforderten, Kavanaugh seinen Lehrauftrag zu entziehen. Die Belästigungsvorwürfe von Christine Blasey Ford seien "glaubwürdig und schwerwiegend" und müssten ernstgenommen werden. "Sie stellen seinen Charakter und seine Moral ernsthaft infrage und sollten ihn von einer Position auf Lebenszeit als Richter am Supreme Court disqualifizieren." Als Lehrender an der Harvard Law School sei Kavanaugh nicht mehr tragbar.

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