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Ernüchterung in Washington

Supermacht light?

  • Veröffentlicht: 04.03.2014
  • 07:45 Uhr
  • Stephan Strothe, N24
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© DPA

Ungläubig, fast wütend macht sich Senator John McCain Luft: "Da draußen glaubt doch niemand mehr an die amerikanische Führungsstärke", ruft der kämpferische Power-Republikaner in den Saal. Nicht nur Barack Obamas innenpolitische Gegner beklagen, dass die Supermacht  bisher keinen Weg findet, Wladimir Putin im Krim-Konflikt die Stirn zu bieten.  Keine Frage: Obamas "smarte Diplomatie", mit der er sich von der selbstbewussten Machtpolitik seines Vorgängers absetzen will, wirkt international deutlich weniger abschreckend, als die Machtpolitik eines George W. Bush. Der derzeitige Präsident ist ja, wie er selbst regelmäßig betont, angetreten, Kriege zu beenden, nicht neue Konflikte zu schüren. Dieses Mantra kommt bei einer kriegsmüden amerikanischen Bevölkerung und bei den meisten Verbündeten nach wie vor gut an.  Aber als stärkste NATO-Nation und führende Kraft des westlichen Bündnisses muss Barack Obama jetzt dafür sorgen, dass Putin die angedrohten "empfindlichen Kosten" für seine völkerrechtswidrige Einnahme der Krim auch wirklich zu spüren bekommt.

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Selbst die kompromisslosesten Falken in beiden US-Parteien wissen, dass es keine realistische militärische Option gibt. Also arbeitet man im Weißen Haus und im amerikanischen Außenministerium mit Hochdruck daran, Moskau politisch und wirtschaftlich so weit wie möglich zu "isolieren".  Aber selbst Washingtons Drohung, den Kreis der wichtigsten Industriestaaten von G8 auf G7 schrumpfen zu lassen, wird Putins Großmacht-Ambitionen kaum bremsen. Empfindlich treffen würden die russische Wirtschaft und die vom Kreml geschützte Oligarchie dagegen dauerhafte und weitreichende Sanktionen wie das Einfrieren von Auslandskonten und ein erschwerter Zugang für russische Banken zum internationalen Finanzsystem.  Für diese Strafmaßnahmen hätte Obama auch Rückendeckung von denen im Kongress, die ihm derzeit eklatante Führungsschwäche vorwerfen. Ein glaubwürdiges wirtschaftspolitisches Drohpotential kann Washington aber nur als Teil einer breiten Front der Sanktionswilligen aufbauen. Dafür braucht Obama vor allem grünes Licht aus Berlin. Auch mit Blick auf die deutschen Verbündeten trauert der republikanische Haudegen McCain den angeblich besseren Zeiten nach: "Schwer enttäuscht" sei er von Angela Merkel, klagte der Senator im amerikanischen Fernsehen. Auch andere amerikanische Kommentatoren werfen der Kanzlerin vor, sie zeige zu wenig Interesse an möglichen Sanktionen. Hinter dieser Kritik steht der Verdacht, die deutsche Kanzlerin wolle eine Gefährdung der engen deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen nicht ernsthaft gefährden.

Glaubt man der New York Times, dann sind sich Merkel und Obama allerdings in der Einschätzung Wladimir Putins ziemlich einig: Beide sehen in dem Kreml-Chef einen Mann, der laut Angela Merkel "in einer anderen Welt" lebt und für Barack Obama "auf der falschen Seite der Geschichte" steht.  Das mag sein, aber der starke Mann Russlands zieht selbstbewusst sehr reale neue Grenzen und fühlt sich in seinem wachsenden Machtbereich ausgesprochen sicher – offenbar zu recht.

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