Massive Gefechte in Afghanistan
Taliban rücken weiter vor
- Veröffentlicht: 01.02.2017
- 18:33 Uhr
- dpa
Die Taliban wagen eine so massive Offensive in Südafghanistan, dass die USA eingreifen - 15 Luftangriffe fliegen sie in 48 Stunden. Landesweit, warnt ein neuer US-Bericht, kontrolliere die afghanische Regierung nur noch etwas mehr als die Hälfte aller Bezirke.
Die radikalislamischen Taliban haben ihren Herrschaftsbereich in Afghanistan weiter vergrößert. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten vierteljährlichen Bericht des Spezialinspekteurs des US-Senats für den Wiederaufbau in Afghanistan (SIGAR) hervor.
Inspekteur John Sopko warnt darin, dass die Regierung Mitte November nur noch etwas mehr als die Hälfte des Landes unter Kontrolle hatte: 57,2 Prozent der 407 Bezirke. Das seien 6,2 Prozent weniger als noch Ende August und fast 15 Prozent weniger als im November 2015.
Heruntergebrochen auf Bezirke beschreibt Sigar 233 von ihnen als in der Hand der Regierung, 41 als in der Hand der Taliban und 133 Bezirke als umkämpft. In den umkämpften Gebieten lebten rund 9,2 Millionen Menschen - das wäre fast ein Drittel aller Afghanen.
Dramatische Verluste
Gleichzeitig, warnt Spezialinspekteur Sopko unter Berufung auf US-Militärquellen, stiegen die Opferzahlen der Sicherheitskräfte. Zwischen Januar und Mitte November seien 6.785 Soldaten und Polizisten getötet und 11.777 verletzt worden. 2015 hatten Sicherheitsquellen von rund 5.500 Toten und rund 12.000 Verletzten gesprochen.
16 der 41 Bezirke, die Sigar in der Gewalt der Taliban sieht, liegen in vier benachbarten südafghanischen Provinzen - unter anderem Helmand. Dort hatten die Taliban am Montag eine weitere massive Offensive auf ein Bezirkszentrum, Sangin, begonnen. Die afghanischen Sicherheitskräfte gerieten unter derart schweren Druck, dass US-Streitkräfte mit einer Serie von Luftangriffen eingreifen mussten.
Sie hätten in 48 Stunden "etwa 15 Luftschläge" geflogen, sagte der Sprecher der US- und NATO-Streitkräfte in Afghanistan, General Charles Cleveland, der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.
Bomben unterirdisch platziert
Ein Stammesältester schilderte, wie die Taliban, offenbar ohne aufzufallen, einen Tunnel unter dem Markt von Sangin-Stadt gegraben hatten, um direkt unter einem großen Sicherheitsposten eine Bombe zu platzieren. Ein Provinzratsmitglied sprach sogar von zwei Tunneln. Ein Sprecher des 215. Korps, Mohammed Rassul Sasai, sagte, es habe dann bis zu acht weitere Selbstmordanschlägen und Kämpfe um das Gouverneursgebäude und die Polizeistation gegeben.
Die Sprecher von Gouverneur und Polizei, die dafür bekannt sind, die Sicherheitssituation herunterzuspielen, sagten, in den Anschlägen und Kämpfen seien bis zu drei Soldaten und Polizisten ums Leben gekommen. Ein Stammesältester aus Sangin sprach dagegen von rund 64 Toten. Aber auch viele Taliban seien ums Leben gekommen. Nach unterschiedlichen Quellen sollen zwischen 19 und 30 Kämpfer getötet worden sein.
Der aktuelle Stand der Gefechte blieb unklar. US- und afghanische Streitkräfte sagen, die Taliban hätten zuerst viele Posten und wichtige Gebäude überrannt, seien aber zurückgeschlagen worden. Derzeit sei es ruhig. Dem Stammesältesten aus Sangin zufolge sind weiterhin Regierungsgebäude in der Hand der Taliban.