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Proteste in der Türkei

Tod von Berkin Elvan löst Krawalle aus

  • Veröffentlicht: 12.03.2014
  • 16:45 Uhr
  • fbo, mre, AFP
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© RTR

In der Türkei hat der Tod eines vor neun Monaten bei Anti-Regierungsdemonstrationen verletzten Jugendlichen neue Proteste ausgelöst. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen rund tausend Demonstranten vor dem Istanbuler Krankenhaus ein, in dem der 15-jährige Berkin Elvan nach 269 Tagen im Koma gestorben war. Protestierende warfen Steine auf einen Polizeibus und entwendeten Helme und Schilde.

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"Wir haben unseren Sohn Berkin Elvan um 07.00 Uhr verloren. Möge er in Frieden ruhen", teilte Berkins Familie im Internet-Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Der 15-Jährige war im Juni in Istanbul auf dem Weg zum Bäcker, als er bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten zwischen die Fronten geriet. Eine Tränengasgranate der Polizei traf ihn am Kopf.

Die Mutter des Jungen machte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan für den Tod ihres Sohnes verantwortlich: "Nicht Gott hat mir meinen Sohn genommen, sondern Ministerpräsident Erdogan!", sagte sie unter Tränen vor Journalisten. Erdogan hatte die Polizisten während der Proteste als "Helden" bezeichnet.

Nach der Nachricht vom Tod des Jungen, dessen Schicksal in der Türkei zu einem Symbol für das harte Vorgehen der Polizei gegen die Proteste geworden ist, gab es Demonstrationen in zahlreichen weiteren Städten. In Ankara ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen rund tausend Studierende vor der Technischen Universität vor, die mit Fotos des toten Berkin in den Händen eine wichtige Verkehrsader blockierten. Auf einem zentralen Platz der Hauptstadt versammelten sich weitere hunderte Demonstranten. Augenzeugen berichteten von mehreren Verletzten in Ankara.

Verletzte in Istanbul

Aus Istanbul wurde mindestens ein Verletzter gemeldet. Auch in der dortigen Fußgängerzone Istiklal versuchte die Polizei am Abend die Proteste durch den Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas aufzulösen. Geschäftsinhaber in Berkins Istanbuler Stadtviertel Okmeydani schlossen aus Solidarität ihre Läden. Proteste mit Sprechchören gegen Erdogan gab es auch in Izmir, Antalya und Eskisehir.
Präsident Abdullah Gül äußerte vor Journalisten Trauer über den Tod des Jungen und sprach dessen Familie sein Beileid aus. Gül rief dazu auf, "alles zu tun, damit so etwas nicht wieder passiert".

Die Organisation Human Rights Watch nannte die Polizeigewalt in der Türkei ein "endemisches Problem". Es müsse dringend aufgeklärt werden, welche Polizisten für den Tod des Jungen verantwortlich seien, fügte die Menschenrechtsorganisation in einer Erklärung hinzu. "Berkin und seine Familie verdienen Gerechtigkeit."
Der Jugendliche ist das achte Todesopfer der landesweiten Massenproteste gegen die Regierung, unter ihnen ist auch ein Polizist. Zudem wurden bei den Demonstrationen mehr als 8000 Menschen verletzt. Die Wut der Demonstranten hatte sich an einem staatlichen Bauprojekt im zentralen Gezi-Park in Istanbul entzündet. An den Protesten, die sich im Juni drei Wochen lang hinzogen, beteiligten sich Schätzungen zufolge 2,6 Millionen Menschen.
Erdogan hatte vergangene Woche seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, dass seine Regierungspartei AKP die Kommunalwahlen Ende des Monats verliert. Allerdings dürfte es kaum dazu kommen, da die Erdogan-Partei Umfragen zufolge trotz der Korruptionsaffäre um die Regierung unangefochten an der Spitze liegt. 

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