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Mutmaßlicher Täter aus Pakistan

Todesfahrt von Berlin: Anschlag wird immer wahrscheinlicher

  • Veröffentlicht: 20.12.2016
  • 10:50 Uhr
  • dpa
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© Britta Pedersen/dpa

War es Terror? Ein Lkw rast auf einem Berliner Weihnachtsmarkt in eine Menschenmenge, zwölf Menschen sterben. Sofort kommen Erinnerungen an den Terroranschlag von Nizza hoch. Einen Unfall schließt die Polizei jedenfalls aus.

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Nach der Todesfahrt eines Lastwagens auf einem Berliner Weihnachtsmarkt deutet vieles auf einen Terroranschlag hin. Die Polizei sprach am Morgen nach der Tat von einem "vermutlich terroristischen Anschlag" - einen Unfall schlossen die Ermittler aus. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte bereits in der Nacht gesagt: "Ich möchte im Moment noch nicht das Wort Anschlag in den Mund nehmen, obwohl viel dafür spricht." Angela Merkel (CDU) wollte sich am Vormittag (11.00 Uhr) zu der Tat äußern, bei der mindestens zwölf Menschen getötet und rund 50 verletzt wurden. Kurz danach sollte das Sicherheitskabinett in Berlin zusammenkommen.

Der am Montagabend auf der Flucht festgenommene mutmaßliche Lkw-Fahrer stammt nach Informationen des RBB-Inforadios und der Deutschen Presse-Agentur aus Pakistan. Er soll dem Sender zufolge am 31. Dezember 2015 in Passau nach Deutschland eingereist sein. Nach dpa-Informationen kam der Mann wohl im Februar als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland. Er soll mehrere Identitäten genutzt haben. Der Verdächtige wurde am Dienstagmorgen verhört. Die genaue Identifizierung gestalte sich schwierig, weil er mehrere Namen benutzt haben soll. Der für den Staatsschutz zuständige Generalbundesanwalt in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen.

Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20.00 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt und zerstörte dabei mehrere Buden. Mindestens zwölf Menschen starben - darunter ein Pole, der auf dem Beifahrersitz saß. Der Lkw gehörte einer polnischen Spedition, wie deren Eigentümer Ariel Zurawski dem polnischen Sender TVN 24 sagte. Der Fahrer, sein Cousin, sei seit etwa 16.00 Uhr am Montag nicht mehr zu erreichen gewesen. "Ihm muss etwas angetan worden sein." Die Berliner Polizei teilte mit, es bestehe der Verdacht, dass der Sattelschlepper in Polen von einer Baustelle gestohlen worden sei.

Europäische Staatsoberhäupter bekunden ihr Beileid

Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich tief betroffen: "Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt." Ähnlich äußerten sich Frankreichs Präsident François Hollande, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Der mutmaßliche Anschlag ruft Erinnerungen an die Terrorattacke von Nizza im Juli wach: Dort waren 86 Menschen ums Leben gekommen, als ein Mann mit einem Lastwagen über die Uferpromenade der Mittelmeermetropole fuhr. Für den Anschlag hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Verantwortung übernommen.

Der mutmaßliche Täter des Berliner Anschlags konnte nach einem Medienbericht dank des couragierten Einsatzes eines Augenzeugen gefasst werden. Der Zeuge sei dem flüchtenden Lastwagenfahrer gefolgt und habe dabei ständig über Handy die Notrufzentrale über die Position des Mannes informiert, sagte Polizeisprecher Winfrid Wenzel laut "Welt/N24". Nach etwa zwei Kilometern Verfolgungsjagd habe schließlich die Besatzung eines Streifenwagens den Mann an der Siegessäule gestoppt. Mit Hilfe des Zeugen sei es möglich gewesen, den Verdächtigen zu fassen, sagte Wenzel.

Am frühen Morgen durchsuchte die Polizei einen Hangar auf dem früheren Berliner Flughafen Tempelhof. Dort befindet sich Berlins größte Flüchtlingsunterkunft. Es gab keine Festnahmen.

Innenminister gegen vorzeitiges Ende der Weihnachtsmärkte

Die Weihnachtsmärkte in Deutschkand sollen weiter stattfinden. Die Innenminister von Bund und Ländern sprachen sich am Vormittag gegen eine Absage aus. Dies teilte das Bundesinnenministerium nach einer Telefonkonferenz der Ressortchefs mit. Mehrere Bundesländer überdenken ihre Sicherheitskonzepte. "Es wird alles getan um die bestmögliche Sicherheit im Land zu gewährleisten", sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) der dpa. "Wir müssen jetzt noch mehr Wachsamkeit und Präsenz zeigen", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) zu WDR5. Der Innenausschuss des Bundestags will am Mittwoch in einer Sondersitzung beraten, hieß es aus Koalitionskreisen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) übernahm im Auftrag des Generalbundesanwalts die Ermittlungen. "Der Generalbundesanwalt beim BGH hat ein Strafverfahren eingeleitet und das BKA mit den Ermittlungen beauftragt", teilten die Wiesbadener Behörde auf Twitter mit. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte noch am Vorabend darüber informiert, dass die Bundesanwaltschaft den Fall übernommen hat. Sie ist für Straftaten zuständig, die die innere Sicherheit der Bundesrepublik betreffen, insbesondere Terrorismus.

Tatfahrzeug und dessen Fahrer wurden offenbar gekidnappt

Der Lastwagen könnte polnischen Medien zufolge am Montagnachmittag in Berlin entführt worden sein. GPS-Daten hätten gezeigt, dass der Wagen ab etwa 16 Uhr mehrmals gestartet worden sei, berichtete der Sender TVN24 unter Berufung auf die betroffene polnische Spedition bei Gryfino in der Nähe von Stettin. Dabei könnte es sich um Versuche eines mutmaßlichen Entführers gehandelt haben, den LKW zu steuern, vermuteten polnische Medien. Gegen 19.45 Uhr habe der Wagen seinen Standort in Berlin endgültig verlassen, hieß es.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte am Dienstag eine Überprüfung der deutschen Flüchtlingspolitik. "Wenn sich bestätigen sollte, dass dieser Anschlag von jemandem verübt worden ist, der als Asylbewerber ins Land eingereist ist, dann muss das in Berlin schon noch mal zu einem grundsätzlichen Nachdenken darüber führen, wie diese ganze Flüchtlingsaufnahme gestaltet wird", sagte Herrmann am Dienstag dem Hörfunksender Antenne Bayern. Es sei naheliegend, dass durch die große Zahl von Flüchtlingen viele Personen eingereist seien, deren Hintergründe nicht bekannt seien.

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