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Strafforderungen gehen weit auseinander

Tugce-Schläger bereut "schlimmen Fehler"

  • Veröffentlicht: 12.06.2015
  • 18:52 Uhr
  • dpa
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Die Studentin Tugce starb nach einem Schlag auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants. Doch der Hergang erscheint am Ende des Prozesses nicht mehr ganz eindeutig

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Im Prozess um den Tod der Studentin Tugce in Offenbach gehen die Strafforderungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung weit auseinander. Die Ankläger verlangten am Freitag vor dem Landgericht Darmstadt eine Gesamtstrafe von drei Jahren und drei Monaten für den Angeklagte Sanel M.. Sie wollen, dass er wegen Körperverletzung mit Todesfolge nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wird. Die Verteidigung forderte dagegen eine Bewährungsstrafe. Sanel M. selbst erklärte, der Schlag sei der "schlimmste Fehler" seines Lebens gewesen. Er könne nur sagen, dass es ihm leidtue.

Oberstaatsanwalt Alexander Homm sagte in seinem Plädoyer, der Fall erscheine nicht mehr so eindeutig wie noch kurz nach der Tat. Es gebe in dem Fall "nicht nur Schwarz-Weiß, sondern viele Grautöne". Weder sei Sanel M. ausschließlich ein aggressiver "Koma-Schläger", noch Tugce eine "nationale Heldin" für Zivilcourage.

Verhängnisvoller Schlag

Am Tatabend im November 2014 habe es Provokationen und Beleidigungen auf beiden Seiten gegeben. Sanel M. schlug Tugce schließlich so heftig ins Gesicht, dass sie stürzte, mit dem Kopf aufschlug und einige Tage später an den Folgen einer Hirnblutung starb. Ohne den verhängnisvollen Schlag wäre es "ein völlig banaler Abend in einem Schnellrestaurant in Offenbach gewesen", sagte Homm. 

Auch nachdem das Gericht rund 60 Zeugen gehört hat, bleiben dem Oberstaatsanwalt zufolge "viele Punkte ungeklärt", etwa die Frage, ob Tugce auf der Toilette des Restaurants zwei damals 13-jährigen Mädchen half, Sanel M. und seine Freunde loszuwerden.

Die Anwälte der Opferfamilie, die als Nebenkläger auftritt, warfen Sanel M. vor, "dass er nicht in der Lage ist, irgendeine Form von Empathie zu zeigen". Sein Geständnis zu Prozessbeginn sei nicht von Reue, sondern von Prozesstaktik geleitet gewesen, sagte der Anwalt Macit Karaahmetoglu. 

Vorwürfe der Opferfamilie

Das wiesen die Verteidiger entschieden zurück. Sie monierten eine "beispiellose Vorverurteilung" ihres Mandanten in manchen Medien. Anwalt Heinz-Jürgen Borowski erklärte, er habe in seinen Akten eine schriftliche Entschuldigung seines Mandanten an die Eltern Tugces. Diese habe er jedoch zurückgehalten, damit sie nicht in der Presse "verhackstückt" werde. "Der Junge kann sagen, was er will, es wird gegen ihn ausgelegt", sagte er.

Borowski forderte eine Jugendstrafe zur Bewährung und die Aufhebung des Haftbefehls. Co-Verteidiger Christian Heinemann schlug eine Strafe von einem Jahr vor, wobei die Bewährungszeit zwei Jahre betragen solle. Sanel M. selbst hatte das letzte Wort: "Egal, was hier dabei rauskommt", sagte er stockend, "ich muss damit leben, dass wegen mir ein Mensch tot ist. Der Schlag war der schlimmste Fehler meines Lebens. Ich kann nur sagen, dass es mir leid tut."

Das Gericht will sein Urteil am Dienstag (16. Juni) sprechen.

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