«Freundschaft und Zusammenarbeit»
Türkei wünscht sich «Neustart» mit Deutschland
- Veröffentlicht: 05.01.2018
- 22:38 Uhr
- dpa
Der türkische Außenminister Cavusoglu kommt zu Sigmar Gabriel nach Goslar. Ein Schritt der Entspannung?
Vor einem Besuch bei seinem Amtskollegen Sigmar Gabriel hat der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu für einen «Neustart» im schwer belasteten Verhältnis zu Deutschland geworben. Deutschland und die Türkei sollten ihre Beziehungen, «wie schon seit 300 Jahren, in Freundschaft und Zusammenarbeit» fortführen, schrieb Cavusoglu in einem Gastbeitrag für die Funke-Mediengruppe. «Das geht jedoch nur, wenn wir die gegenwärtige Krisenspirale in unserem Verhältnis durchbrechen.» Gabriel hat Cavusoglu für diesen Samstag in seine Heimatstadt Goslar eingeladen.
Macron versus Erdogan
Die türkische Regierung bemüht sich seit einiger Zeit wieder um eine Verbesserung der Beziehungen zu Berlin und anderen EU-Staaten, am Freitag besuchte Präsident Recep Tayyip Erdogan Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich dabei skeptisch zum EU-Beitrittsprozess des Landes. Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei erlaubten keine Fortschritte.
Der Franzose warf deshalb die Frage auf, ob über die Beziehung zwischen Europäischer Union und Türkei neu nachgedacht werden könne - «nicht im Rahmen des Integrationsprozesses, sondern vielleicht einer Zusammenarbeit, einer Partnerschaft». Ziel sei es, dass die Türkei in Europa verankert bleibe. Erdogan kritisierte dagegen den Stillstand im Beitrittsprozess, die EU lasse sein Land seit inzwischen 54 Jahren «vor der Türe warten». Die Türkei werde «nicht immer wieder sagen, bitte nehmt uns endlich auf».
Inhaftierungen und Entlassungen
Nach der Niederschlagung des Putschversuchs in der Türkei im Juli 2016 hatte Erdogan den Ausnahmezustand verhängt und «Säuberungen» ausgerufen. Seitdem sind mehr als 50.000 Menschen inhaftiert worden, mehr als 150.000 Staatsbedienstete wurden suspendiert oder entlassen. Die EU äußert sich seitdem zunehmend besorgt über die Menschenrechtslage und kritisiert, die Türkei entferne sich von der Rechtsstaatlichkeit. Erdogan weist das regelmäßig zurück. Macron thematisierte gegenüber Erdogan unter anderem das Schicksal inhaftierter Journalisten.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte, bei den geplanten deutsch-türkischen Minister-Gesprächen in Goslar werde es auch um schwierige Themen gehen. Dazu zählten der in der Türkei inhaftierte «Welt»-Korrespondent Deniz Yücel sowie weitere Haftfälle. Die Einladung sei Teil der beiderseitigen Bemühungen, die deutsch-türkischen Beziehungen allmählich wieder in «ein besseres Fahrwasser» zu bringen. Zuletzt seien «Entspannungssignale» zu erkennen gewesen, auch mit Blick auf die Haftfälle. «Wir wollen diesen Weg weiter gehen, wenn es denn geht», sagte die Sprecherin - «aber da ist noch eine Strecke zu gehen auch.»
Streitpunkt: Yücel
Der Fall Yücel ist aktuell der größte Streitpunkt zwischen Deutschland und der Türkei. Cavusoglu verwies in seinem Gastbeitrag auf die Unabhängigkeit der Justiz: «Wir unternehmen aber alles, was politisch in unserer Macht steht, um juristische Verfahren zu beschleunigen.» Yücel teilte in einer von seinen Anwälten übermittelten Erklärung aus dem Gefängnis mit, er werde «seit fast einem Jahr ohne Anklage als Geisel gehalten».
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dem SWR: «Das Gesäusel über den Rechtsstaat kann sich Herr Cavusoglu sparen. Deniz Yücel muss freigelassen werden und zwar sofort. Solange das nicht passiert, kann es keine Normalisierung geben.»
Bitte des Außenministers
Cavusoglu bat seine «deutschen Freunde» um mehr Verständnis für die Lage der Türkei und das Trauma, das der Putschversuch vom Juli 2016 in dem Land verursacht habe. Er verlangte von Deutschland, Aktivitäten der Gülen-Bewegung - die die Regierung für den Putschversuch verantwortlich macht - und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu unterbinden.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind in der Türkei aktuell 50 Deutsche inhaftiert. Bei sieben von ihnen ist davon auszugehen, dass es sich um politisch motivierte Vorwürfe handelt. Von diesen sieben Häftlingen haben vier auch die türkische Staatsbürgerschaft.