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Das Oktoberfest wird in diesem Jahr anders sein

Waffenruhe in der Ostukraine hält

  • Veröffentlicht: 15.09.2016
  • 17:50 Uhr
  • dpa
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Kontrollen, Zäune, Rucksackverbot. Dem Terror nicht weichen - und trotzdem reagieren. Auch beim Oktoberfest versuchen die Verantwortlichen diesen Spagat. Selbst wenn alle betonen, dass die Stimmung nicht leidet: Die Wiesn wird dieses Jahr anders sein.

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Hotels verzeichnen weniger Buchungen, Wiesn-Tische werden storniert, Prominente streichen Einladungen. Die Terrorangst hat auch das Münchner Oktoberfest erreicht. Aus Sicherheitsgründen dürfen erstmals keine großen Taschen und Rucksäcke mitgenommen werden. Ein mobiler Zaun sperrt die bisher noch offene Seite des Festgeländes ab. An den Eingängen werden Besucher kontrolliert.

Mit dem Konzept reagieren die Veranstalter auf die Serie von Gewalttaten im Juli in Bayern: Ein Amoklauf mit neun Todesopfern in München, das erste mutmaßlich islamistische Selbstmordattentat in Deutschland mit 15 Verletzten in Ansbach und eine vermutlich islamistisch motivierte Axt-Attacke mit fünf Verletzten bei Würzburg.

Trotzdem haben viele Münchner Dirndl und Lederhose bereits aus dem Schrank geholt und sich bei diversen Wiesn-Warm-ups in Stimmung gebracht. Die Stadt kommt langsam in Feierlaune. "Wir blicken einer schönen und friedlichen Wiesn entgegen", betonte Wiesn-Chef Josef Schmid (CSU) wenige Tage vor dem Start. Das Thema Sicherheit stehe ganz oben. München lasse sich das Volksfest nicht vermiesen.

Ruhe bewahren, dem Terror nicht nachgeben, trotzdem feiern

Der Wiesn-Chef, die Stadt, die Wirte - alle sind darin einig: Ruhe bewahren, dem Terror nicht nachgeben, trotzdem feiern. Seitens der Sicherheitsbehörden heißt es bisher auch unisono: Es gibt für die Wiesn keine konkrete Gefährdungslage. "Für uns ist die Wiesn 2016 genauso wie die Wiesn 2015", sagt Polizeipräsident Hubertus Andrä.

Dennoch scheint die Stimmung gedämpfter als sonst. "Ich geh heuer nicht auf die Wiesn" - den Satz hört man häufig von Einheimischen. Hoteliers verzeichnen eine geringere Nachfrage. Der Vize des Hotel- und Gaststättenverbandes in der Kreisstelle München, Martin Stürzer, geht von 10 bis 15 Prozent weniger Buchungen aus.

Regine Sixt hat ihre traditionelle Damen-Wiesn mit Prominenten abgesagt. Die Verantwortung für ihre mehr als 1000 Gäste könne sie nicht übernehmen, teilte die Unternehmerin schon vor Wochen mit. Mancher Wiesn-Tisch wird storniert. Wirte-Sprecher Toni Roiderer sagt freilich, das sei "überhaupt nicht erwähnenswert", und für jede Stornierung gebe es Dutzende neuer Anfragen.

Sorge vor Einzeltätern

Für den traditionellen Trachten- und Schützenzug des Festrings München mit 9000 Trachtlern am Sonntag nach dem Anstich sagten zwei Vereine ab. Er habe Verständnis, sehe die Sache aber anders, sagte der Präsident des Festrings, Karl-Heinz Knoll. "Wenn wir den Befürchtungen nachgeben, wird es unmöglich sein, größere, öffentliche Veranstaltungen durchzuführen."

Die Angst vor einem Anschlag auf der Wiesn ist nicht neu. 1980 hatte ein Rechtsradikaler eine Bombe gezündet, 13 Menschen starben. Seit Drohungen des Terrornetzwerks Al Kaida 2009 gibt es drei Sperrgürtel. Elektronisch steuerbare Poller wurden installiert, damit niemand mit einem Wagen wie in Nizza auf das Volksfest rasen kann. Besonders jene "einsamen Wölfe" wie der Täter von Nizza, die nicht vernetzt sind und ihre Tat alleine planen, machen den Sicherheitsbehörden Sorgen. Die Überwachung von Telefonen oder Chats etwa bringt hier kaum weiter.

Auch andernorts werden Volksfeste besser gesichert. Mit verschärfter Videoüberwachung und 100 statt bisher 60 Beamten reagiert Stuttgart auf dem Cannstatter Wasen auf die Terrorangst.

600 Polizisten auf der Wiesn

Beim Oktoberfest sind in diesem Jahr bis zu 600 Polizeibeamte im Einsatz, hundert mehr als bisher. Die Stadt hat zudem 450 Ordner engagiert, 200 mehr als bisher. Medien zufolge kosten allein die Ordner 3,6 Millionen Euro; Sicherheitsunternehmen sind in Zeiten von Terrorangst und Flüchtlingskrise gefragt, die Stundensätze mit 60 Euro saftig. Dazu kommen eine neue Lautsprecheranlage für Warndurchsagen, zusätzliche Gepäckaufbewahrungsstellen und 350 Meter mobiler Zaun.

Voraussichtlich nächstes Jahr wird das auch auf die Preise durchschlagen. "Dass das Oktoberfest keine Billigveranstaltung sein kann, ist klar", sagt Wirt Roiderer. "Alle Kosten, die mehr anfallen, schlagen sich auf die Preise von Produkten nieder." Zum Beispiel auf die Maß Bier, die dieses Jahr 10,40 bis 10,70 Euro kostet.

Gerade der Zaun war monatelang umstritten. Manche erinnerten an die tödliche Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der den Zaun nun verteidigt, war zuerst skeptisch. Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle (SPD) fragte noch im Juli: "Ist es denn möglich in einer sich anbahnenden Belastungssituation, den Zaun in fünf Minuten hinzustellen und - beim Abfluss von der Wiesn - in fünf Minuten wieder abzubauen? Und kann denn nicht der Zaun sich als die Falle entpuppen, von der immer wieder die Rede ist?" Darüber hört man jetzt keine Debatten mehr.

Ursprünglich sollte der Zaun "nur" gegen eine mögliche Überfüllung helfen - die bis vor kurzem noch als Hauptgefahr galt. Bis zu 500 000 Menschen schieben sich an manchen Tagen über das rund 30 Hektar große Areal. Dann wird es teils so eng, dass Zelte kaum zu evakuieren sind und Rettungskräfte nur schwer durchkommen - egal, ob bei einem Anschlag, Brand oder Unfall. Zumindest an den Wochenenden bleiben die Besuchermassen weiter eine Hauptaufgabe. Wenn das Volksfest am Samstag startet, wird sich zeigen, ob die Ordner die Zugangskontrollen meistern, ohne dass es endlose Schlagen gibt. Und wie es mit der Gepäckaufbewahrung funktioniert, wenn am Abend auf einen Schlag Tausende Menschen ihre Taschen zurück haben wollen.

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