Stärkung für den Schiffbau
Werftenübernahme macht alle glücklich
- Veröffentlicht: 28.09.2016
- 17:13 Uhr
- dpa
Die Übernahme der Hamburger Traditionswerft Blohm+Voss durch die Lürssen Werft ist ein Signal. Jetzt gibt es vier große deutsche Werftengruppen und einige kleinere Betriebe. Die Branche verbessert damit ihre Chancen auf dem Weltmarkt.
Blohm+Voss gehört zu den bekanntesten Industriebetrieben in Deutschland - als Teil des maritimen Panoramas im Hamburger Hafen. Jedem Hamburg-Touristen und jedem Fernsehzuschauer fallen die Schwimmdocks 10 und 11 sowie das Dock "Elbe 17" am Elbufer gegenüber den St.-Pauli-Landungsbrücken ins Auge. Doch hinter der berühmten Kulisse sah es schon seit einiger Zeit nicht mehr sehr rosig aus. Die Übernahme von Blohm+Voss durch die erfahrenen und erfolgreichen Schiffbauer der Lürssen Werft in Bremen-Vegesack löst deshalb in Hamburg Freude und Erleichterung aus, auch bei den rund 1.000 Arbeitnehmern.
Guter Ruf
Blohm+Voss hat einen guten Ruf und Aufträge als Reparatur- und Wartungswerft sowie bei der Aufwertung (Refit) von Schiffen. Darunter hat man sich deutlich mehr vorzustellen als einen neuen Anstrich oder die Auswechslung von ein paar Verschleißteilen. Als zum Beispiel das Kreuzfahrtschiff "Queen Mary 2" in diesem Frühjahr für mehr als drei Wochen bei Blohm+Voss im Trockendock lag, waren zeitweise mehr als 3.000 Arbeiter im Einsatz. 15 neue Außenkabinen wurden gebaut, andere umgestaltet, Hotel-, Unterhaltungs- und Gastronomiebereiche grundlegend modernisiert. Der Wert des Auftrags soll rund 50 Millionen Euro betragen haben.
Probleme gibt es dagegen im Neubau. Blohm+Voss ist zwar in die Neubauaufträge für Militärschiffe eingebunden, hat aber seit Jahren kein ziviles Schiff mehr gebaut. Werftchef Fred van Beers, der im Frühjahr des vergangenen Jahres bei Blohm+Voss das Ruder übernommen hatte, sollte ausdrücklich das Geschäft mit den Luxusjachten vorantreiben. Immer wieder machten auch Gerüchte über einen bevorstehenden Auftrag die Runde, doch nie wurde etwas daraus.
Die Jachten, um die es geht, sind teilweise mehr als 100 Meter lang und kosten dreistellige Millionenbeträge. Lürssen ist in diesem Geschäft sehr erfolgreich, ebenso wie der deutsche Schiffbau insgesamt. Nach einem Ranking des Fachmagazins "Boote Exclusiv" wurden 76 der 200 längsten Luxusjachten in Deutschland gebaut, davon gut die Hälfte von Lürssen. Das Familienunternehmen von der Weser hat auch die längste Jacht der Welt gebaut, die 180 Meter lange "Azzam". Sie gehört angeblich einem arabischen Scheich.
Luxus läuft
Russen, Amerikaner und Araber sind die Hauptkunden für große Luxusjachten. Doch das Geschäft läuft mittlerweile schleppender. "Die wirtschaftlich schwierige Situation in einigen Regionen wie zum Beispiel Osteuropa oder dem Mittleren Osten, aus denen viele unserer potenziellen Kunden kommen, wirkt sich auch auf das Jachtgeschäft aus", sagte Klaus Borgschulte, der technische Geschäftsführer von Lürssen, vor kurzem dem "Hamburger Abendblatt". Ohnehin ist das kein Massenmarkt: Es geht weltweit um etwa fünf Aufträge pro Jahr, um die sich alle Werften bemühen. Der Wettbewerb ist hart, auch die Scheichs und Oligarchen achten auf ihr Geld und stellen hohe Ansprüche.
"Blohm+Voss und Lürssen sind zwei industrielle Leuchttürme im Norden", sagt Reinhard Lüken, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik. "Die Übernahme ist eine Stärkung des deutschen Schiffbaus." Die Branche wird nun von vier größeren Gruppen beherrscht: Lürssen mit 2.800 Arbeitnehmern und sechs Standorten in den fünf deutschen Küstenländern, dazu die Meyer Werft in Papenburg, die malaysische Genting-Gruppe in Mecklenburg-Vorpommern und Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) mit einem großen Standort in Kiel. Dazu kommt ein gutes Dutzend kleinerer Werften, die jeweils ihre eigenen Stärken und Schwerpunkte haben.
Auch Blohm+Voss gehörte zu Thyssenkrupp, bis 2011 der britische Finanzinvestor Star Capital die Werft übernahm. Schon damals war Lürssen als Erwerber im Gespräch, doch überwog das Misstrauen, dass die Bremer sich vielleicht nur eines Konkurrenten entledigen wollten. Heute sind alle happy über den Verkauf, die Hamburger Politik ebenso wie die IG Metall Küste. Der Finanzinvestor, soviel war immer klar, würde nur begrenzte Zeit an Bord bleiben. So ist das Geschäftsmodell. Da ist für die Hamburger ein 140 Jahre altes Familienunternehmen aus der Branche die bessere Wahl - selbst wenn es aus dem eigentlich wenig beliebten Bremen kommt.