Nach Krim-Referendum
Westen will Sanktionsschraube anziehen
- Veröffentlicht: 17.03.2014
- 13:01 Uhr
- rct, DPA
Nach der umstrittenen Volksabstimmung über einen Anschluss der Krim an Russland wollen die EU-Außenminister in Brüssel Sanktionen gegen Russland beraten. Geplant sind Einreiseverbote und Kontensperrungen für Personen, die direkt für die russische Militäraktion in der Ukraine verantwortlich sind.
Bei dem Referendum stimmten nach Angaben der Wahlleitung aus der Nacht zum Montag nach Auszählung von 75 Prozent der Stimmen etwa 95,7 Prozent für einen Anschluss. Die Beteiligung lag bei etwa 82 Prozent. Der Westen kritisiert die Volksbefragung auf der Halbinsel als völkerrechtswidrig. Hingegen hatte Russland erklärt, den "Wunsch der Krim-Bevölkerung zu respektieren".
Putin verweist auf Recht zur Selbstbestimmung
Weder die Ex-Sowjetrepublik Ukraine noch der Westen erkennen das Ergebnis an. Die EU und die USA verurteilten den Volksentscheid als eklatanten Bruch des Völkerrechts.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kündigte eine deutliche Reaktion an. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Auf das völkerrechtswidrige Referendum auf der Krim wird Europa eine klare und bestimmte Antwort geben." Die Lage sei "hochgefährlich", dennoch müssten sich "jetzt alle Anstrengungen darauf richten, eine weitere Eskalation zu vermeiden".
In einem Telefonat mit seinem US-Präsident Barack Obama verwies der russische Präsident Wladimir Putin auf das freie Recht der Menschen zur Selbstbestimmung. Nach Angaben der Regierung in Moskau betonte Putin zudem, die neue ukrainische Führung tue nichts gegen "ultranationalistische und radikale Gruppierungen, die die Lage destabilisieren und friedliche Bürger terrorisieren".
Obama bekräftigte, dass die USA und die internationale Gemeinschaft die Abstimmung auf der Krim niemals anerkennen werden. Die Abstimmung verletze die Verfassung der Ukraine und habe unter Druck einer russischen Militärintervention stattgefunden, sagte Obama nach Angaben des Weißen Hauses. Er signalisierte weitere Sanktionsschritte in Zusammenarbeit mit der EU. Eine diplomatische Lösung sei nicht möglich, solange russische Truppen weiter auf ukrainischem Gebiet stünden.
Krim-Führung reist nach Moskau
Kurz nach dem Referendum kündigte die moskautreue Krim-Führung für diesen Montag eine Sondierungsreise nach Russland an. "Eine Delegation wird in Moskau den Prozess eines Beitritts zu Russland besprechen", teilte Regierungschef Sergej Aksjonow in Simferopol mit. In der Stadt bejubelten Tausende Menschen den nun möglichen Beitritt der Krim zur Russischen Föderation. Der zentrale Leninplatz war in ein Meer aus russischen Fahnen und Krim-Flaggen gehüllt.
In Simferopol sprach Parlamentschef Wladimir Konstantinow von einem schicksalhaften Tag für die Autonome Republik. Zahlreiche ausländische Beobachter und Journalisten verfolgten die Abstimmung, die unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen vor allem in Schulen organisiert wurde. Vor vielen der mehr als 1200 Wahllokale bildeten sich lange Schlangen, wie das russische Staatsfernsehen berichtete. Bilder zeigten, wie Menschen ihre Stimmzettel in Wahlurnen aus durchsichtigem Plexiglas warfen.
Nach Darstellung ukrainischer Medien wurde die Abstimmung durch Russland manipuliert. Es seien viele russische Staatsbürger, die nicht in den Wählerlisten stünden, eingeflogen worden, um an dem Referendum teilzunehmen. Dies ließ sich nicht überprüfen. Rund 1,8 Millionen Berechtigte waren aufgerufen, für einen Anschluss an Russland oder für den Verbleib in der Ukraine zu stimmen - allerdings dann mit verstärkten Autonomierechten. Die Minderheit der muslimisch geprägten Krimtataren hatte zum Boykott aufgerufen.
Mehr OSZE-Beobachter in die Ukraine?
Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert schlug Bundeskanzlerin Angela Merkel Putin vor, die bestehende OSZE-Präsenz in der Ukraine rasch zu erweitern und eine größere Anzahl Beobachter insbesondere in die Ostukraine zu entsenden. Dies war nach Kreml-Angaben auch Thema des Telefonats Putins mit Obama.
In mehreren Städten der stark russisch geprägten Ostukraine kam es derweil erneut zu Protesten. In Charkow forderten etwa 3000 Demonstranten in ihrer Stadt ein Referendum wie auf der Krim. In Donezk stürmten Randalierer mehrere Verwaltungsgebäude.
Die Autonome Republik Krim ist bisher Teil der Ex-Sowjetrepublik Ukraine, der sie 1954 von Kremlchef Nikita Chruschtschow zugeschlagen worden war. Moskau betont das Selbstbestimmungsrecht der mehrheitlich russischstämmigen Krim-Bevölkerung und will eine "Rückkehr" der Halbinsel zum Mutterland durchsetzen. Die Krim-Stadt Sewastopol ist seit mehr als 200 Jahren Sitz der russischen Schwarzmeerflotte.