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Gesundheitsausschuss tagt

Cannabis-Freigabe noch immer unsicher? Ärzte und Justiz mahnen erneut dagegen

  • Veröffentlicht: 06.11.2023
  • 10:16 Uhr
  • Lena Glöckner
Noch immer stellen sich zahlreiche Expert:innen gegen die geplante Cannabis-Legalisierung.
Noch immer stellen sich zahlreiche Expert:innen gegen die geplante Cannabis-Legalisierung.© Annette Riedl/dpa

Bis zum Jahreswechsel sind es nicht mehr viele Bundestagssitzungen. Vorher soll die Cannabis-Freigabe eigentlich noch durchs Parlament. Im Gesundheitsausschuss tagen deshalb erneut Expert:innen - und warnen dringlich.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Anfang 2024 soll die Cannabis-Legalisierung in Deutschland kommen -  Fachleute sind sich aber noch immer uneins.

  • Die einen haben "erhebliche Bedenken", die anderen begrüßen eine Freigabe "ausdrücklich".

  • Der Gesundheitsausschuss kommt deshalb erneut mit Expert:innen zusammen, um deren Einschätzungen anzuhören.

Knapp zwei Monate vor der geplanten Cannabis-Freigabe ist das Thema in Deutschland immer noch mehr als umstritten. Das machen Stellungnahmen von Fachleuten aus Polizei, Justiz, Suchthilfe und Medizin deutlich, die an diesem Montag (6. November) bei einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Parlaments vorsprachen. Die Einschätzungen der jeweiligen Expert:innen lagen vorab vor.

Das Ziel der Ampel-Regierung: Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen streichen. Für Volljährige ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden, so der Gesetzesentwurf. Privat dürfen dann maximal drei Pflanzen angebaut werden. In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Im Video: Zankapfel Cannabis - geplante Legalisierung stößt weiter auf Kritik

Zankapfel Cannabis: Geplante Legalisierung stößt weiter auf Kritik

Vor allem mächtige Verbände wie die Bundesärztekammer, der Deutsche Richterbund, die Gewerkschaft der Polizei und medizinische Fachgesellschaften stemmen sich weiterhin gegen das Gesetz. Der Richterbund äußert in seiner Stellungnahme "erhebliche Bedenken" und rechnet, wie auch Vertreter von Polizeigewerkschaften, mit mehr Arbeit für Strafverfolgungsbehörden und Justiz, da die Vorgaben für die künftigen Cannabis-Clubs und zu Anbau und Abgabe der Droge auch überwacht und Verstöße geahndet werden müssen.

Befürchtet wird auch, dass der Schwarzmarkt nicht kleiner, sondern größer wird, da Besitz und Erwerb von bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei werden, egal ob es auf dem Schwarzmarkt oder legal erworben wurde.

Mediziner halten Altersgrenze für zu niedrig

Medizinerverbände hingegen warnen vor allem vor den Gesundheitsgefahren. Die Bundesärztekammer sieht "eine relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation in Deutschland". Sie rechnet mit einer Zunahme des Cannabiskonsums und damit zusammenhängenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Problemen. Verbände und Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- und Jugendpsychiatrie warnen ebenfalls.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie hält die geplante Altersgrenze für den Zugang zu Cannabis mit 18 Jahren für zu niedrig, "da die Gehirnentwicklung in der Regel bis Mitte 20 noch nicht abgeschlossen ist". Bis dahin solle die Droge unter anderem wegen eines erhöhten Psychose-Risikos nicht konsumiert werden, so der Verband.

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Auch Befürworter unter Anwälten und Justiz

Auf der anderen Seite stehen Befürworter des Vorhabens. "Eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum ist nicht mehr zu rechtfertigen", heißt es etwa von der "Neuen Richtervereinigung", einem reformorientierten Verband von Richtern und Staatsanwälten. Der Konsum sei trotz aller Verbotsbemühungen weit verbreitet. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt die Cannabis-Freigabe "ausdrücklich", er sieht dadurch das Strafrecht entlastet. Vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Uni Hamburg heißt es, das Gesetz erkenne in erster Linie "gesellschaftliche Realitäten" an. 2021 habe etwa jeder Zehnte im Alter von 18 bis 59 mindestens einmal im Jahr Cannabis konsumiert.

Der von der SPD eingeladene Sachverständige und Strafrechtsprofessor Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu weist die Zweifel des Richterbundes bezüglich einer Entlastung der Behörden zurück. "Allein die schiere Anzahl von zuletzt über 180.000 (!) konsumbezogenen Cannabis-Verfahren pro Jahr bindet offenkundig erhebliche Ressourcen", schreibt er in seiner Stellungnahme.

Für manche liegt die Wahrheit dazwischen

Die Grenze zwischen Pro und Kontra verläuft aber auch fließend. Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin bewertet die "Ansätze zur Entkriminalisierung von Konsumenten" im Gesetz als positiv. Der Verband warnt aber auch davor, dass durch die Freigabe die Zahl der Personen mit Intoxikationen (Vergiftungen) oder Intoxikationspsychosen deutlich zunehmen könnte.

Die Bundespsychotherapeutenkammer weist auf die Gefahren des Drogen-Konsums unter 25 Jahren wegen der noch nicht abgeschlossenen Gehirnentwicklung hin. Die Altersgrenze von 18 Jahren und die Vorgabe, dass Cannabis-Clubs nur weniger potentes Cannabis an unter 21-Jährige abgeben dürfen sollen, bezeichnet sie aber als "guten Kompromiss (...) zwischen einem vertretbaren Gesundheitsrisiko für das noch nicht ganz ausgereifte Gehirn und der Verhinderung, dass der Cannabisgebrauch ab dem durchschnittlichen Einstiegsalter von circa 15 Jahren zu lange verheimlicht oder tabuisiert wird".

Weniger potent - das sind Cannabis-Sorten mit weniger als 10 Prozent THC. Im Vergleich: Als hochpotente Sorten werden diese gehandelt, die mehr als 20 Prozent THC enthalten. 

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Gesundheitsministerium warnt vor Cannabis-Konsum: "Legal, aber...risky"

Nach der Expertenanhörung am Montag muss der Bundestag das Gesetz noch beschließen. Das war nach dpa-Informationen bislang für die vorletzte Sitzungswoche des Jahres Ende November geplant - eine Zustimmung im Bundesrat ist nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums nicht nötig. In einem "Fragen und Antworten" auf dessen Internetseite heißt es, das Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes sei für Anfang 2024 vorgesehen. "Ab Inkrafttreten können Erwachsene nach dem vorgelegten Gesetzesentwurf in Deutschland legal einen Joint rauchen."

Ob der Zeitplan zu halten sein wird, ist unklar. Noch immer wird an Details des umfangreichen Gesetzes gefeilt. Parallel läuft eine Kampagne des Gesundheitsministeriums im Netz, die vor den Gesundheitsgefahren des Cannabis-Konsums warnt. Videoclips mit Slogans wie "Legal, aber...risky" richten sich vor allem an junge Leute.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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