Verteidigungsminister Pistorius
Um NATO-Ziele zu schaffen: Bundeswehr braucht bis zu 60.000 zusätzliche Soldaten
- Aktualisiert: 05.06.2025
- 14:15 Uhr
- dpa
Vor einem entscheidenden Treffen der NATO-Verteidigungsminister legt Deutschland erste Karten auf den Tisch. Klar ist: Deutschland braucht zehntausende Soldaten mehr.
Das Wichtigste in Kürze
Verteidigungsminister Pistorius sieht für die neuen NATO-Ziele einen Bedarf von bis zu 60.000 zusätzlichen aktiven Soldaten in der Bundeswehr.
Trotz steigender Anforderungen sinkt die Zahl der Bundeswehr-Angehörigen weiter, während Diskussionen über einen verpflichtenden Wehrdienst erneut aufflammen.
Militärplaner rechnen langfristig mit einer Verlagerung von der Reserve hin zu deutlich mehr aktivem Personal in den Streitkräften.
Die Bundeswehr braucht für die neuen NATO-Planungsziele zur verstärkten Verteidigungsfähigkeit bis zu 60.000 Soldat:innen zusätzlich in der aktiven Truppe. Das sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Brüssel vor einem Treffen der NATO-Verteidigungsminister, in dem die neuen Ziele gebilligt werden sollen.
"Wir gehen davon aus - das ist aber auch nur eine Daumengröße, um es klar zu sagen - dass wir rund 50.000 bis 60.000 Soldatinnen und Soldaten in den stehenden Streitkräften mehr brauchen als heute. Und gleichzeitig wird sich die Frage natürlich stellen: Reicht der neue Wehrdienst aus über die nächsten Jahre?", sagte Pistorius.
Die NATO will ihre militärischen Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung angesichts der anhaltenden Bedrohung durch Russland extrem ausbauen. Generalsekretär Mark Rutte hatte am Vortag in Brüssel gesagt: "Wir benötigen mehr Ressourcen, Truppen und Fähigkeiten, um auf jede Bedrohung vorbereitet zu sein und unsere kollektiven Verteidigungspläne vollständig umzusetzen." Oberste Priorität hätten die Luft- und Raketenabwehr, weitreichende Waffensysteme, Logistik und große Verbände von Landstreitkräften.
Streitkräfte brauchen schon jetzt dringend mehr Personal
In der Bundeswehr war die Zahl der Soldaten:innen im vergangenen Jahr trotz mehr Einstellungen erneut leicht gesunken, während der Altersdurchschnitt stieg. Zum Jahresende 2024 habe es rund 181.150 Soldat:innen gegeben, hatte das Verteidigungsministerium erklärt. Ein Jahr zuvor, am Stichtag 31. Dezember 2023, waren es noch rund 181.500 Männer und Frauen in Uniform gewesen. Erklärtes Ziel waren zuletzt aber 203.000 aktive Soldaten:innen in den Streitkräften gewesen.
Vor einem Jahr hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sein Modell für einen neuen Wehrdienst vorgelegt und dabei auch Zahlen für den Bedarf an Soldaten:innen in der stehenden Truppe sowie der Reserve genannt. Er nannte dabei insgesamt rund 460.000 Soldat:innen: Konkret 203.000 Männer und Frauen der stehenden Streitkräfte, die 60.000 vorhandenen Reservist:innen sowie 200.000 zusätzliche Reservist:innen, die nun nötig seien. Militärplaner gehen davon aus, dass die Obergrenze von 460.000 erhalten bleiben wird, aber deutlich mehr aktive Soldat:innen und womöglich weniger Reservist:innen eingeplant werden.
Deutschland hatte sich in den 2+4-Verträgen verpflichtet, die Zahl seiner Soldat:innen auf 370.000 zu beschränken. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schrieb dazu im Februar 2025, der Begriff der Personalstärke sei nicht genau definiert, die Formulierung lege nahe, "dass es sich dabei nur um die aktive, ständig verfügbare Truppenstärke handelt, also um regulär im Dienst befindliche Soldaten (Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit, Grundwehrdienstleistende)".
Neue Diskussion um Wehrpflicht?
Unterdessen ist eine neue Diskussion um einen verpflichtenden Wehrdienst absehbar. So sagte der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte (CDU), dem "Tagesspiegel", "massiv" steigende NATO-Anforderungen seien ohne einen teilweise verpflichtenden Wehrdienst und eine attraktivere Bundeswehr kaum zu erfüllen. Er forderte: "Das Verteidigungsministerium sollte einen konkreten Vorschlag vorlegen, in dem die Hürden für einen Wechsel hin zur Verpflichtung eines gewissen Kontingents junger Leute nicht zu hoch sind."