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Politisches Chaos in Bayern

Aiwanger-Affäre in Bayern: Einfluss auf die Landtagswahl?

  • Aktualisiert: 31.08.2023
  • 19:18 Uhr

Vor der Landtagswahl im Herbst hat sich die politische Lage in Bayern sehr zugespitzt. Jeden Tag gibt es in der Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger neue Fragen und Details. Was kann das für die Wahlen bedeuten? Ein Zwischenstand im Überblick.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger sorgt für politisches Chaos in Bayern.

  • Der Freie-Wähler-Chef soll zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben haben.

  • Aiwanger hat von Söder 25 Fragen bekommen, die er nun schriftlich und "zeitnah" beantworten soll.

Politisches Chaos in Bayern

Vor der Landtagswahl im Herbst ist es ein politischer Tsunami, der seit dem Wochenende über Bayern hinweg rollt, vor allem über Hubert Aiwanger und die Freien Wähler, aber auch über Markus Söder und die CSU. Und noch ist ungewiss, wen und was alles die Welle mit sich reißen wird.

Klar ist: Irgendwann in den kommenden Tagen, also gut einen Monat vor der bayerischen Landtagswahl, wird der Ministerpräsident eine politisch heikle Entscheidung treffen müssen: Entlässt er seinen Vize wegen der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten - oder nicht? Viele große und kleine Mosaiksteine aus Vorwürfen und Gegenvorwürfen, aus Verteidigungsversuchen, aus immer neuen Vorhaltungen und vielen Spekulationen setzen sich ganz langsam zu einem Bild zusammen. Eine vorläufige Einordnung und ein Ausblick:

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Vorwürfe gegen Aiwanger

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete in ihrer Wochenendausgabe über den Verdacht, dass der Freie-Wähler-Chef zu Schulzeiten in den 1980er Jahren ein antisemitisches Flugblatt geschrieben haben soll. Das wies der heute 52-Jährige schriftlich zurück. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben. Offen blieb bisher, ob Aiwanger einzelne Exemplare weitergab, das sei ihm "heute nicht mehr erinnerlich". Sein Bruder meinte, vielleicht habe Hubert die Flugblätter eingesammelt, "um zu deeskalieren".

Ein ehemaliger Mitschüler Aiwangers sagte der ARD offen und mit Namen, Aiwanger habe als Schüler beim Betreten des schon besetzten Klassenzimmers früher ab und zu "einen Hitlergruß gezeigt". Zudem habe Aiwanger "sehr oft diese Hitler-Ansprachen nachgemacht in diesem Hitler-Slang". Auch judenfeindliche Witze seien "definitiv gefallen". Aiwanger sagte der "Bild" zum Vorwurf mit dem Hitlergruß: "Mir ist nicht im Entferntesten erinnerlich, dass ich so etwas gemacht haben soll." Im Online-Netzwerk X (früher Twitter) wehrte er sich zudem gegen den Vorwurf einer nicht namentlich genannten Ex-Mitschülerin in der "Süddeutschen Zeitung": "Es wird immer absurder. Eine andere Person behauptet, ich hätte Mein Kampf in der Schultasche gehabt. Wer lässt sich solchen Unsinn einfallen!?"

Die Redaktion von 17:30 SAT.1 Bayern konnte den Lehrer zu Hause treffen. Im Gespräch hat der Beamte gesagt, dass die Aussagen, die er der Süddeutschen Zeitung gegenüber getroffen hat, stimmen. Hubert Aiwanger habe rechtes Gedankengut verbreitet und wurde mit dem Flugblatt in der Tasche erwischt. Aiwanger musste sich wohl vor dem Disziplinarausschuss der Schule verantworten. Vor der Kamera wollte sich der Lehrer nicht äußern.

So verteidigt sich Aiwanger

In seiner schriftlichen Erklärung nannte er das Flugblatt "ekelhaft und menschenverachtend". "Auch nach 35 Jahren distanziere ich mich vollends von dem Papier." Am Mittwoch äußerte er sich ausführlicher: Es sei so, "dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann, was als 15-Jähriger hier mir vorgeworfen wird", sagte er vor Journalisten. "Aber auf alle Fälle, ich sag' seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte: kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund." Weil dies Raum für neue Spekulationen ließ, schob er später hinterher: "Ich war noch nie Antisemit oder Extremist." Die Freien Wähler verweisen unterdessen auch darauf, dass Aiwanger "nach den Vorfällen" sogar Schülersprecher an seiner Schule gewesen sei.

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Der aktuelle Stand

Aiwanger hat von Söder 25 Fragen bekommen, die er nun schriftlich und "zeitnah" beantworten soll. Wann dies geschieht, war am Donnerstag zunächst offen. Anschließend will Söder eine abschließende Bewertung vornehmen. Die zentrale Entscheidung, die er dann akut treffen muss: Entlässt er Aiwanger als Minister, ja oder nein? Für eine Entlassung bräuchte er anschließend die Zustimmung des Landtags. Klar ist so oder so: Im Landtag wird es am 7. September - auf Antrag von Grünen, SPD und FDP - eine Sondersitzung geben.

Das könnte es für die Wahl bedeuten

Das ist Söders Dilemma: Entlässt er Aiwanger, ist die Koalition kurz vor der Landtagswahl am Ende. Davon könnten die Freien Wähler, so die Sorge der CSU, am Wahltag massiv profitieren. Hält Söder an ihm fest, könnten er und die CSU aber am Ende in Mithaftung genommen werden. Insgesamt steht Söder derart unter Beobachtung, auch bundesweit, auch vom Zentralrat der Juden und anderen: Vielleicht kann er, um politisch gesichtswahrend aus der Affäre zu kommen, gar nicht mehr anders als Aiwanger zu entlassen? Auch auf die Gefahr hin, am Ende ein paar Prozentpunkte zu verlieren.

Was die Zeit nach der Wahl angeht: Auch wenn Söder grundsätzlich, mangels für die CSU wünschenswerter Alternativen, die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen will - mit Aiwanger als Minister wird dies nicht mehr möglich sein. Sollten die Freien Wähler unverrückbar an Aiwanger als Minister festhalten, müsste sich Söder einen anderen Partner suchen. Die Grünen wären in der CSU kaum vermittelbar, bliebe also rechnerisch, nach vergangenen Umfragen, vielleicht nur die SPD. Allerdings ist der Wahlausgang ja plötzlich wieder sehr ungewiss.

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  • Verwendete Quelle:
  • Nachrichtenagentur dpa
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