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Zweifel an Rechtsmäßigkeit

Trotz Gerichtsentscheids: Dobrindt will Asylsuchende weiterhin zurückweisen

  • Aktualisiert: 02.06.2025
  • 19:49 Uhr
  • dpa
Es handelt sich um die erste gerichtliche Entscheidung zu der Neuregelung der Grenzkontrollen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt.
Es handelt sich um die erste gerichtliche Entscheidung zu der Neuregelung der Grenzkontrollen von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt.© Peter Kneffel/dpa

Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist dem Berliner Verwaltungsgericht zufolge rechtswidrig. Dobrindt geht jedoch von Einzelfall-Entscheidung aus.

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Inhalt

Rückschlag für die Bundesregierung: Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist laut einer gerichtlichen Eilentscheidung rechtswidrig. Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfe, wer in Deutschland Schutz sucht, nicht abgewiesen werden, entschied das Berliner Verwaltungsgericht. Im konkreten Fall ging es um drei Somalier:innen, die am 9. Mai von Frankfurt (Oder) aus nach Polen zurückgeschickt wurden.

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Nach Angaben einer Gerichtssprecherin handelt es sich um die erste gerichtliche Entscheidung zu der Neuregelung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Der CSU-Politiker hatte kurz nach dem Regierungswechsel mit intensivierten Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerber:innen an den deutschen Grenzen erste Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Für die Union zählen die Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration nach Deutschland zu den zentralen Vorhaben der neuen Regierung.

Dobrindt: Wir halten an unserer Rechtsauffassung fest

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hält an der Zurückweisung von Asylsuchenden fest, obwohl eine Gerichtsentscheidung Zweifel an ihrer Rechtsmäßigkeit nährt. "Wir halten an unserer Rechtsauffassung auch fest", sagte er in Berlin. Dobrindt betonte mehrfach, es handle sich um eine Entscheidung im Einzelfall. "Es gibt keinen Grund aufgrund einer Gerichtsentscheidung, die heute hier erfolgt ist in diesem Einzelfall, unsere Praxis zu verändern."

Der Bundesinnenminister sagte, er wolle nun das Hauptsache-Verfahren anstreben. Man glaube, dass man dort "deutlich Recht bekommen" werde. "Das Gericht hat in diesem Beschluss ausgeführt, dass die Begründung für unsere Maßnahmen dezidierter hätte sein sollen." Diese dezidiertere Begründung wolle man nun nachliefern.

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Konkreter Fall: Bundespolizei wies Somalier nach Polen zurück

Im vorliegenden Fall ging es um zwei Männer und eine Frau aus Somalia, die mit dem Zug aus Polen nach Deutschland reisten. Am 9. Mai wurden sie am Bahnhof Frankfurt (Oder) durch die Bundespolizei kontrolliert. Nachdem die Somalier ein Asylgesuch geäußert hatten, wurden sie noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete die Zurückweisung laut Gericht mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

Dagegen wehrten sich die Betroffenen per Eilverfahren erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht. Die Beschlüsse sind nach Gerichtsangaben unanfechtbar.

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CDU-Innenexperte will Zurückweisungen fortsetzen

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, sieht nach der Gerichtsentscheidung vorerst keine Notwendigkeit, das derzeitige Vorgehen zu ändern. "Wir werden die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin natürlich genau prüfen", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Er betonte gleichzeitig: "Die Zurückweisungen müssen fortgesetzt werden."

Nach der sogenannten Dublin-Verordnung darf die Bundespolizei Asylbewerber:innen nicht einfach an der Grenze zurückweisen. Vielmehr müssen die deutschen Behörden ein kompliziertes und in der Praxis oft schlecht funktionierendes Prozedere in Gang setzen, um sie an den für ihr Asylverfahren zuständigen Staat zu überstellen. Das ist in der Regel der erste EU-Staat, in dem sie registriert wurden. Wenn enge Familienangehörige bereits in einem anderen EU-Staat leben oder dort Schutz erhalten haben, kann aber auch dieser zuständig werden.

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Gericht kritisiert Berufung auf Ausnahmezustand

Aus Sicht des Gerichts kann sich die Bundesrepublik nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage unangewendet bleiben dürfe. Insbesondere könne sich die Regierung nicht auf eine "nationale Notlage" – also eine Art Ausnahmezustand – berufen. Es fehle dafür "an der hinreichenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung", hieß es. Die Bundesrepublik sei nach der Verordnung verpflichtet, bei Asylgesuchen, die auf deutschem Staatsgebiet gestellt werden, in jedem Fall das vorgesehene Verfahren durchzuführen.

Die Bundesregierung hatte argumentiert, die Nichtanwendung des EU-Rechts sei gerechtfertigt. Dies habe die Europäische Kommission in einer Mitteilung über die Abwehr hybrider Bedrohungen infolge des Einsatzes von Migration als Waffe und die Stärkung der Sicherheit an den EU-Außengrenzen aktuell bestätigt. Die deutschen Maßnahmen seien zudem temporär und auf bestimmte Personengruppen beschränkt.

Dublin-Verfahren in Grenznähe zu Deutschland möglich

Dass Asylsuchende nach einem Grenzübertritt automatisch länger in Deutschland bleiben können, bedeutet die Entscheidung aber nicht, wie das Gericht selbst feststellt. In einer Mitteilung heißt es, das Dublin-Verfahren könne auch an der Grenze oder im grenznahen Bereich durchgeführt werden, "ohne dass damit zwangsläufig eine Einreisegestattung verbunden sein müsse".

Diesen Weg, für den es einer Kooperation mit den Ländern bedarf, hatte Dobrindts Amtsvorgängerin Nancy Faeser (SPD) gewählt. In Hamburg und im brandenburgischen Eisenhüttenstadt wurden vor einigen Wochen zwei sogenannte Dublin-Zentren eingerichtet, mit dem Ziel, die Verfahren zu beschleunigen. Denn Rückführungen nach Dublin-III-Verordnung sind nur in den ersten sechs Monaten nach Einreise möglich – in der Vergangenheit scheiterten sie häufig an der Frist.

Der Beschluss entlarvt Dobrindts Symbolpolitik als das, was es ist: ein offener Rechtsbruch.

Marcel Emmerich, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion

Grüne sehen sich in ihrer Kritik bestätigt

Kritiker der neuen Grenzkontrollen fühlen sich durch die Entscheidung des Gerichts bestätigt. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, sagte: "Der Beschluss entlarvt Dobrindts Symbolpolitik als das, was es ist: ein offener Rechtsbruch." Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) müsse die rechtswidrigen Zurückweisungen umgehend stoppen. Die SPD dürfe nicht mehr länger schweigend zusehen.

Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim) mahnt: "Das ist ein Urteil, das die Bundesregierung beachten muss." Die Entscheidung des Gerichts dürfte niemanden überraschen. Die Organisation Pro Asyl teilte mit, sie habe die drei somalischen Antragsteller:innen bei deren Klage unterstützt.

Dobrindt verkündet steigende Zurückweisungen

Laut Innenminister Dobrindt hatte die Bundespolizei nach der Verschärfung der Grenzkontrollen innerhalb von einer Woche 739 Menschen an der Grenze zurückgewiesen – 45 Prozent mehr als in der Woche zuvor mit 511 Zurückweisungen.

Unter den Zurückgewiesenen waren demnach auch Asylsuchende: Von 51 Menschen, die ein Asylgesuch äußerten, seien 32 zurückgewiesen worden, sagte Dobrindt. Die anderen seien als vulnerable Personen – dazu zählen etwa Kinder oder Schwangere – ins Land gelassen worden.

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