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Atomkraft in Bayern

Atomkraftwerke in Bayern: Mehr erneuerbare Energien aber Atommüll-Lager

  • Veröffentlicht: 12.04.2024
  • 15:18 Uhr
  • Nicole Sauer

Video von Redakteurin Anika Welter

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Im April 2023 hat Deutschland den Atomausstieg vollzogen und die letzten drei Kernkraftwerke vom Netz genommen. Im Meiler Isar 2 in Niederbayern hat der Rückbau begonnen. Bis mindestens 2046 soll bei den früheren Kernkraftwerken Atommüll gelagert werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Zeitalter der Atomkraft ist auch in Bayern seit einem Jahr vorbei.

  • Während CSU und Freie Wähler für einen Weiterbetrieb plädiert hatten, sind die Grünen froh über das Aus.

  • Während der Abbau des Kernkraftwerks Isar 2 in Essenbach begonnen hat, wird die Genehmigung des Atommüll-Zwischenlagers in Gundremmingen nicht aufgehoben.

Inhalt

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Zeitalter der Atomkraft in Bayern vorbei

Das Zeitalter der Atomkraft ist auch in Bayern seit einem Jahr vorbei. Am 15. April 2023 wurde das Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach (Landkreis Landshut) vom Netz genommen. Ein Schritt, der weiterhin für Diskussionsstoff sorgt. Während CSU und Freie Wähler bis zuletzt für einen Weiterbetrieb plädiert hatten, sind die Grünen froh über das Aus und fordern von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mehr Einsatz für den Ausbau erneuerbarer Energien. Klar ist jedenfalls: Hochgefahren werden kann der Meiler Isar 2 nicht mehr. Der Rückbau hat begonnen, wie eine Sprecherin des Betreibers PreussenElektra sagte.

Bayern sei ohne Atomkraft sicherer

Aus Sicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze steht fest: "Bayern ist ohne Atomkraft sicherer. Der Abschied von dieser extrem risikoreichen Stromerzeugung ist und bleibt ein großer Gewinn für unsere Heimat und die Menschen hier." Ein Jahr nach dem Abschalten zeige sich, dass die Befürworter der Atomkraft falsch gelegen seien, denn: "Wir hatten und haben ausreichend Strom zur Verfügung. Die Strompreise sind heute niedriger als vor dem AKW-Aus."

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Strompreise seit dem Atomausstieg gesunken

Martin Stümpfig, Sprecher für Energie der Landtags-Grünen, pflichtete dem bei: Der Anteil der erneuerbaren Energien sei nie so hoch gewesen wie heute. Es werde so wenig Kohle verstromt wie seit den 1960er-Jahren nicht mehr, und die Strompreise seien seit dem Atomausstieg gesunken. "Wer jetzt immer noch davon fabuliert, die AKW wieder anzuschalten, macht Politik aus dem Wolkenkuckucksheim."

Grünen fordern Windkraft-Ausbau

Die Landtags-Grünen fordern: "Bayern braucht keine Staatsregierung, die im Gestern festhängt und einem Technologie-Dinosaurier nachtrauert", so Schulze. Die Regierung müsse vielmehr den Windkraft-Ausbau vorantreiben und Hürden bei Tiefengeothermie abbauen. Das würde Bayern unabhängiger machen und die heimische Wirtschaft stärken. Die Industrie brauche günstigen Strom aus erneuerbaren Quellen.

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Langzeitfolgen aus dem Atomzeitalter

Stümpfig verwies überdies auf die Langzeitfolgen aus dem Atomzeitalter: "Der aufwendige Rückbau der Kraftwerksgebäude, der Umgang mit Unmengen von radioaktivem Abfall und die weiterhin ungelöste Endlagerfrage werden uns noch über Generationen als Jahrhundertaufgabe beschäftigen."

Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz (BN), Richard Mergner, sprach angesichts des Atomausstiegs von einem "Riesenerfolg für die Umweltbewegung, die ein halbes Jahrhundert lang gegen diese Hochrisiko-Technologie gekämpft hat" und betonte: "Weder sind bei uns die Lichter ausgegangen, noch ist die Kohleverstromung nach oben geschnellt."

Keine Wiederinbetriebnahme von Isar 2

Vor drei Wochen war vom Umweltministerium die Rückbaugenehmigung für Isar 2 erlassen worden. Schon im Herbst 2023 hatte der Betreiber mitgeteilt, dass die Anlage nicht mehr hochgefahren werden kann. Nach dem Abschalten hatten Mitarbeiter mit vorbereitenden Maßnahmen für den Rückbau begonnen. Zudem stünden die für einen Betrieb erforderlichen Mitarbeiter nicht mehr zur Verfügung, so PreussenElektra Geschäftsführer Guido Knott im Herbst. Das Thema Wiederinbetriebnahme sei "definitiv vom Tisch".

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Kritik für Markus Söder

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte nach dem Herunterfahren von Isar 2 noch gesagt, die Anlage in Landesverantwortung weiterbetreiben zu wollen und von der Bundesregierung eine Änderung des Atomgesetzes gefordert.

Dafür kassierte er umgehend Kritik vom damaligen Präsidenten des Bundesamtes für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE): "Bundestag und alle Bundesländer einschließlich Bayern haben sich nicht nur auf den Ausstieg aus der Kernenergie verständigt, sondern auch die Endlagersuche nach wissenschaftlichen Kriterien auf den Weg gebracht." Der geforderte Sonderweg Bayerns widerspreche geltendem Recht und gefährde die Endlagersuche.

Umweltminister Thorsten Glauber sieht Atomausstieg als Fehler

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) bezeichnete den deutschen Atomausstieg vor drei Wochen einmal mehr als falsch. "Wir haben uns immer dafür eingesetzt, die Kernkraftwerke als klimafreundliche Brücke vorübergehend weiterlaufen zu lassen." Der Vorrang für erneuerbare Energien sei im Bayerischen Klimaschutzgesetz festgeschrieben, der Freistaat setze auf deren schnellstmöglichen Ausbau. Jedoch: "Angesichts der aktuellen globalen Herausforderungen brauchen wir jede Kilowattstunde Energie, die wir selbst erzeugen können. Mit Isar 2 wäre es noch immer möglich, bezahlbaren und CO2-freien Strom in Bayern zu produzieren." Vor dem Aus deckte Isar 2 nach Ministeriumsangaben rund 18 Prozent der bayerischen Stromproduktion ab.

Vier Atomkraftwerke bereits im Rückbau

Neben dem Meiler Isar 2 waren am 15. April 2023 auch das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg vom Netz genommen worden. Der Rückbau ist Aufgabe der Betreiber. Im Fall von Isar 2 sollen diese Arbeiten bis Ende der 2030er-Jahre abgeschlossen sein. Vier bayerische Atomkraftwerke befinden sich bereits im Rückbau: Isar 1, Grafenrheinfeld sowie Grundremmingen Block B und C.

Lagerung von Atommüll bei früheren Kernkraftwerken

Die Genehmigung des Atommüll-Zwischenlagers im schwäbischen Gundremmingen wird nicht aufgehoben. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hat erneut eine entsprechende Klage von Nachbarn der Atomanlage abgewiesen (Az. 22 A 17.40026).

Die vor mehr als 20 Jahren erteilte Genehmigung für das Lager für verbrauchte Brennelemente bleibt damit weiterhin in Kraft, teilte der VGH am Freitag mit. Aktuell ist das Atomlager bis zum Jahr 2046 genehmigt.

Der VGH bestätigte damit eine frühere Entscheidung. Denn bereits im Jahr 2006 waren zum Start der Einlagerung Klagen gegen das Lager in Gundremmingen (Landkreis Günzburg) sowie die beiden anderen Zwischenlager in Bayern abgewiesen worden.

Nachbarn sehen eigene Sicherheit gefährdet

Die fünf Kläger des aktuellen Verfahrens leben zwischen vier und elf Kilometer von dem Zwischenlager entfernt. Sie sahen trotz der früheren Entscheidung ihre Sicherheit gefährdet. Sie kritisierten, dass die Risiken eines Flugzeugabsturzes auf das Lager und der Beschuss durch Terroristen nicht hinreichend geprüft worden sei.

Das Gericht sei aber der Ansicht, dass für solche Fälle ausreichend Vorsorge getroffen worden sei, teilte der VGH mit. Die Einlagerung der Kernbrennstoffe in den Sicherheitsbehältern sei für die genehmigte Lagerdauer von 40 Jahren hinreichend sicher.

Gericht hält Absturz mit Militärjets für unwahrscheinlich

Im Dezember 2023 hatten die Richter bei der mündlichen Verhandlung in München solche Fragen erörtert. Der VGH entschied nun, dass das Lager nicht gegen den Absturz eines mit Bomben bewaffneten Militärjets geschützt werden müsse. Denn solch ein Absturz sei extrem unwahrscheinlich. Übungsflüge mit scharfen Bomben würden nur ausnahmsweise und dann nicht in der Region des mittlerweile abgeschalteten Kernkraftwerks durchgeführt.

Atommüll-Lagerung ohne Genehmigung

Die Kläger hatten auf ein knapp elf Jahre altes Urteil bezüglich eines Brennelementlagers in Norddeutschland verwiesen. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hatte damals die Zulassung des Zwischenlagers in Brunsbüttel kassiert, das Bundesverwaltungsgericht bestätigte später die Entscheidung.

Beim Zwischenlager Brunsbüttel waren die Richter davon ausgegangen, das es nicht hinreichend gegen terroristische Angriffe wie den gezielten Absturz eines Airbus A380 oder einen Angriff mit panzerbrechenden Waffen geprüft worden sei. In Brunsbüttel wird bis heute Atommüll gelagert, obwohl das Zwischenlager dort aktuell weiterhin keine Genehmigung hat.

Richter halten das Lager Gundremmingen für sicher

Die bayerischen Richter halten hingegen das Lager Gundremmingen für sicher, auch wenn Terroristen dort einen A380-Absturz verursachen würden. "Selbst bei Einsturz des Lagergebäudes (...) würden die Castoren laut Gutachten den auftretenden mechanischen und thermischen Belastungen so weit standhalten, dass radioaktive Strahlung allenfalls in äußerst geringem Umfang austreten würde", teilte das Gericht mit.

Gegen Terroristen, die mit Panzerfäusten in das Lager einbrechen wollen, um die Behälter zu zerstören, sei das Zwischenlager ebenfalls geschützt. Die Richter gehen davon aus, dass in einem solchen Fall die Terroristen durch einen vor zehn Jahren verbesserten Schutz so lange aufgehalten würden, bis die Polizei vor Ort ist und eingreifen kann.

Bleiben die Zwischenlager bis ins 22. Jahrhundert?

In den Zwischenlagern bei den ehemaligen deutschen Atommeilern soll der strahlende Müll verwahrt werden, bis es ein Endlager in Deutschland gibt. Ursprünglich war davon ausgegangenen worden, dass die geplante Betriebszeit der Lager von 40 Jahren dafür ausreicht. Mittlerweile gehen viele Kritiker davon aus, dass die dezentralen Lager viel länger benötigt werden, möglicherweise bis ins nächste Jahrhundert.

Raimund Kamm von dem atomkritischen Verein "Forum - Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" erklärte nach dem Urteil, der VGH habe "die Megagefahren des Zwischenlagers Gundremmingen nicht wahrhaben wollen". Nun müsse die Staatsregierung in München endlich die Menschen schützen. Denn die Gefahr durch Terrorismus werde größer. Die Atomkraftwerke und ihre Lager seien "Atomminen, in denen unvorstellbar viel Radioaktivität steckt", sagte Kamm. "Damit können Landkreise und Regionen verstrahlt und unbewohnbar gemacht werden."

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  • Verwendete Quelle:
  • Nachrichtenagentur dpa
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