Aufregung um Pulli
Diskussion um Grüne-Jugend-Chefin Nietzard: Ist "ACAB" strafbar?
- Veröffentlicht: 28.05.2025
- 14:14 Uhr
- Christopher Schmitt
Mit dem Tragen eines "ACAB"-Sweatshirts sorgte die Chefin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, für Diskussionen. Doch ist das beleidigende Kürzel strafrechtlich relevant, oder von der Meinungsfreiheit gedeckte Polizeikritik?
Das Logo auf dem mintgrünen Sweatshirt, das Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard am vergangenen Freitag (23. Mai) in einem Instagram-Post trug, ist an einen weltweit bekannten Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach angelehnt. Allerdings sorgte der zugehörige Schriftzug in den vergangenen Tagen für Diskussionsstoff in der deutschen Politiklandschaft: "ACAB" - gemeinhin bekannt als Kürzel für "All Cops are Bastards" (deutsch: "Alle Polizisten sind Bastarde"). Die Beleidigung wird vorrangig in linken sowie linksextremistischen Milieus als Kritik an Polizei-System und -Gewalt genutzt. Auch von Rechtsextremisten wird "ACAB" teils verwendet.
Nietzard hatte sich später von ihrer Pullover-Aktion vorsichtig distanziert, ihre grundsätzliche Haltung zum "System" hinter der Polizei aber bekräftigt: Sie "glaube nicht, dass das der richtige Weg war, um auf die Probleme aufmerksam zu machen", erklärte sie in einem Podcast des Magazins "Stern". Den Pulli besitze sie "als Privatperson". Doch unabhängig von Nietzards politischer Reputation - wie wird rechtlich in Deutschland mit der beleidigenden Abkürzung umgegangen?
Ist der Schriftzug "ACAB" auf einem Oberteil strafbar?
Einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2016 zufolge ist "die Kundgabe der Buchstabenkombination 'ACAB' im öffentlichen Raum" an sich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Sie sei "nicht ohne weiteres strafbar". Voraussetzung ist, dass sich Parolen wie diese nicht auf eine "hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe" bezögen.
Grundsätzlich handelt es sich bei "ACAB" um eine sogenannte Kollektivbezeichnung, schreibt Rechtsanwalt und Strafverteidiger Tommy Kujus auf der Website seiner Kanzlei. Heißt: Bei dem Kürzel geht es grundsätzlich um "alle Polizist:innen" - und keine eingeschränkte Personengruppe. Der Strafverteidiger führt weiter aus, dass hinsichtlich der Polizei entschieden wurde, dass diese nicht über eine einheitliche Willensbildung verfüge und somit kein beleidigungsfähiges Kollektiv darstelle.
Erfüllt also das öffentliche Tragen des Schriftzugs auf Kleidungsstücken den Tatbestand der Beleidigung? Nein. Kujus fasst zusammen: "Wer den Schriftzug ACAB lediglich dadurch kundtut, dass dieser etwa als Ausdruck auf Kleidungsstücken öffentlich zur Schau gestellt wird, macht sich nicht der Beleidigung nach § 185 StGB strafbar." Dies gelte für Aufnäher und Buttons ebenso wie für Sticker oder Tattoos - und dementsprechend auch für einen Pullover wie den von Jette Nietzard.
Auch, wer der Aufforderung von Polizist:innen, den Schriftzug zu verbergen, nicht folge leiste, begehe keine Beleidigung. Dies gelte auch, wenn die Anwesenheit von Beamt:innen - etwa im Umfeld von Demonstrationen oder Fußballspielen - vorab zu erwarten gewesen sei.
Wann die Abkürzung strafbar werden kann
"Eine Strafbarkeit kann sich aber aus dem weiteren Verhalten ergeben", führt jedoch Kujus weiter aus. Wenn Polizist:innen direkt mit "ACAB" angesprochen würden, werde aus einer Kollektiv- eine Individualbeleidigung, und somit liege hier eine strafbare Handlung vor.
Führende Grüne mit deutlicher Kritik
Aus der Bundespartei hatte die Grüne-Jugend-Vorsitzende scharfe Kritik zu hören bekommen. Grünen-Chef Felix Banaszak nannte Nietzards Beurteilung der Polizei "inakzeptabel". Cem Özdemir, Spitzenkandidat der Partei für die kommende Landtagswahl, kritisierte, bei den Grünen sei falsch, wer nicht kapiere, dass die Polizei auch Grünen-Werte verteidige. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte ihr am Dienstag (27. Mai) sogar einen Parteiaustritt nahe. Jette Nietzard hat diesen ebenso wie einen Rücktritt ausgeschlossen.
Was die Grüne Jugend auf der Homepage schreibt
Polizeikritik kommt nicht nur von der Vorsitzenden der Grünen Jugend selbst, sondern auch von der gesamten Organisation auf ihrer Homepage. Dort heißt es: "Rechter Terror gehört verfolgt und geahndet, nicht systematisch verharmlost. Ob in Polizei, Bundeswehr oder Verfassungsschutz – rechte Netzwerke müssen entschieden bekämpft werden." Der Staat habe zu oft unter Beweis gestellt, dass auf ihn bei der Beseitigung rechter Strukturen kein Verlass sei.
- Verwendete Quellen:
- Kujus Strafverteidigung: "Ist ACAB strafbar?"
- Nachrichtenagentur dpa
- Tagesschau.de: "Kritik an Nietzard wegen 'ACAB'-Sweatshirt"
- Taz: "Jette Nietzard will Grüne bleiben"
- Bild: "Grüne-Jugend-Chefin provoziert mit Polizei-Hass-Pulli"